Neid ist ein ganz fieser Begleiter im Leben. Er verbreitet schlechte Laune und lähmt. Und doch ist er in meinem Leben ganz schön oft präsent. Sei es bei mir, oder bei meinem Gegenüber. Ich bin Ende 30, die ersten großen Weichen in meinem Leben habe ich gestellt: Mann gefunden. Kinder bekommen. Haus gebaut. Rausgefunden, was ich mag und kann. Herrlich. Und dennoch hochkompliziert.
Umgeben mich doch ständig im echten Leben sowie online Menschen, die ganz anders leben. Und offensichtlich glücklich sind. Oder scheinbar glücklich sind. Die aber ein ganz anderes Leben leben, nicht die gleichen Weichen wie ich gestellt haben, aber auch glücklich sind. Oder – Unverschämtheit – an manchen Tagen den Eindruck erwecken, glücklicher zu sein als ich. Und wenn ich dann gerade einen harten Tag hatte, unzufrieden mit mir und erschöpft bin, dann zerfrisst mich manchmal der Neid. Ihr kennt das vielleicht: Alle anderen haben ein viel besseres Leben. Sind ganz offensichtlich nicht so ausgebrannt wie ich. Haben heute Kuchen gebacken, mit den Kindern die wildeste Eisenbahn aufgebaut, den neuesten Hot Shit gekauft, gerade eine Reise gebucht oder mal wieder eine neue Frisur und neue Schuhe. Und was hab ich? Nicht mal die Wäsche geschafft und auch sonst mehr gemeckert als dankbar gewesen.
Das Gemeine: es wird sie immer geben. Die, mit dem höheren Einkommen, mit dem größeren Haus, dem hipperen Großstadtleben, mit den tolleren Urlauben und den mehr Instagram-Followern. Und an ganz manchen Tagen triggert mich das und mich packt der Neid.
Wenn ich in dem Moment ehrlich zu mir selbst bin, möchte ich gar nicht tauschen.
Ich will im Moment nicht, dass mein Mann oder ich mehr arbeiten. Viel Einkommen kommt nun mal von viel arbeiten. Allerallermeistens. Mag ich grad nicht.
Ich will nicht das größere Haus – ich habe unser Haus selbst entworfen und habe gesehen, wie es gewachsen ist. Es ist unser Haus. Genau so groß, wie wir es brauchen und finanzieren konnten. Hätten wir ein größeres Haus, müssten wir auf so manchen Luxus jetzt verzichten. Mag ich nicht. Mit dem Putzen komm ich so schon nicht hinterher, warum also mehr putzen wollen?
Ich brauche gerade kein hippes Leben. Das hatte ich nach dem Studium. In der Großstadt, abends Essen gehen, am Wochenende shoppen. Mag ich mir mit den beiden Buben gar nicht vorstellen. Würde ich um nix in der Welt gegen unseren Garten mit der weltbesten Nachbarschaft eintauschen wollen. Niemals.
Ok. Gegen tolle Urlaube hätte ich nichts. Ein Urlaub, in dem Mal keiner von uns krank ist. Mit richtig gutem Wetter. Aber das gehört eigentlich zur Grundausstattung. Wo, ist dann schon fast egal.
Tja und diese Instagram-Follower-Zahl. Die hätte ich sehr gerne sehr groß. Mir ist aber auch bewusst, dass ich dafür richtig viel Zeit in diese App stecken müsste. Rund um die Uhr. Mag ich momentan nicht. Habe gerade andere Prioritäten: Zwei Kinder, Mann, Job, Haus, Garten.
Und genau das ist der Punkt. Prioritäten! Jeder hat andere. Jeder steckt in seine Prioritäten all seine Zeit und Energie. Und irgendwas bleibt immer liegen. Bei uns zuhause ist das meistens der Staub. Und das Unkraut im Garten. Liegt und wächst da gut.
Andersrum funktioniert das übrigens genau so. Mir wird lustigerweise manchmal “vorgehalten”, dass ich es ja eh so gut habe. Mit meinen zwei Kindern, die ja viel braver sind als alle anderen. Außerdem habe ich es da mit meinen Jungs eh viel leichter als mit so zickigen Mädels. Und mein Mann erst. Der ist so gutmütig und macht so viel im Haushalt. Ich habe übrigens auch viel mehr Zeit als andere, weil ich ja immer irgendwas selber mache und Zeit zum Basteln habe. Und nen Blog hab ich auch noch. Ihr merkt es, oder? Jeder findet bei fast jedem etwas, was anders und vermeintlich besser ist. Jeder. Jeden Tag.
Manchmal, wenn ich mal wieder jammere, dass es ja alle anderen so viel besser haben, dann fragt mich der Liebste, mit wem ich denn jetzt gerne tauschen würde. Und jedes einzelne Mal fällt mir beim besten Willen keine Freundin, Bekannte, oder Instagrammerin ein, mit der ich tauschen wollen würde. Nicht mal nur für ne Woche. Weil ich müsste ja alles tauschen. Nicht nur den einen triggernden Punkt, sondern auch den Rest des Lebens. Und da hab ich noch keine gefunden, die ich grundsätzlich besser finde, als mich selbst. Das finde ich irgendwie dann doch beruhigend. Auch wenn ich in letzter Zeit viel gekämpft habe mit meiner Gesundheit und meiner Fröhlichkeit, dem Neid lass ich nicht all zu viel Platz. Weil dann vielleicht einfach Prioritäten neu ausgerichtet werden müssen, damit es im eigenen Leben wieder gemütlich ist.
Habt einen schönen, zufriedenen Abend,
Eure Annette
7 Kommentare
Katrin
31. Mai 2019, 07:55Wahre Worte.
Ich hasse Neid. Und ich hasse es wenn ich merke ich bin neidisch. Versuch ich immer sofort wegzuschieben. Gelingt mir schon ganz gut.
Deine Einstellung zum Thema ist so richtig “gesund”.
Herzliche Grüße
Katrin
Annette
5. Juni 2019, 10:21Da geht es mir wie Dir. Ich mag mich auch nicht, wenn ich neidisch bin…
Judika
31. Mai 2019, 09:37Liebe Annette,
so schön geschrieben. Ja, ich bin manchmal auch neidisch. Wenn ich mich wieder geerdet habe, weiß ich wieder dass das wichtigste in meinem Leben meine 4 Söhne sind, die alle 4 gesund und intelligent sind und ihren Weg gehen. Und was das Leben für mich noch alles bereit hält ist heute noch ein Geheimnis.
viele Grüße Margot
Annette
5. Juni 2019, 10:22Oh ja! Gesundheit ist sowieso das allerhöchste Gut! Eine schöne Einstellung hast Du da!
Anna
31. Mai 2019, 23:55Hhm, wahre Worte, ich glaube, es geht so Vielen ähnlich. Manchmal hasse ich diese SocialMedia-Sache und würde am liebsten alle Accounts löschen. Fluch und Segen sind sie. Ich hasse dieses Vergleichen. Man verliert immer, weil man nur das Tollste aus allen Leben zu einem “Übermenschen” addiert, oder? Da gibt es dann dieses “die Anderen” im Kopf… nur ich nicht… Aber das ist völliger Quatsch. Nur sag das mal dem Unterbewusstsein. Hach ja. Ein wichtiges Thema hast Du angesprochen liebe Annette, danke dafür.
Liebe Grüße, Anna
Annette
5. Juni 2019, 10:24Oh ja, zu social media könnte ich auch einen ganzen Post schreiben. Ich weiß das auch alles, was Du gesagt hast, aber mein Unterbewusstsein versteht das anscheinend nicht. Ich folge nun nur noch ganz ganz wenigen (hauptsächlich private Freunde und ein paar ausgewählte Blogger). Geht mir besser damit.
Inka Chall
19. Oktober 2020, 12:34Ha, was für ein toller Artikel – wenn auch erst knapp eineinhalb Jahre später beim Stöbern auf Deiner Seite entdeckt. 😀
Ja, ich glaube, ich bin sicherlich nicht vor Neid gefeit, so ab und zu, aber so en gros habe ich das wohl irgendwann hinter mir gelassen. Ich glaube, in meiner Jugend wars schlimm, weil andere spannendere Sommerferien hatten, weil ich nur abgelegte Klamotten bekam und nie Neue, weil ich nicht hübsch, nicht sportlich genug war… Dann kamen die 20er, wo andere Geld von den Eltern zum Studieren bekamen, reisen konnten, eine schönere Arbeit hatten, weniger arbeiten mussten… Und als ich dann endlich in den 30ern mir alles selbst erfüllen konnte, was ich wollte, seitdem bin ich da irgendwie großteils mit durch (vermutlich habe ich den größten Teil Neid, den ein Mensch haben kann, schon aufgebraucht :D).
Mir tut die heutige Jungend auch echt unfassbar leid, denn ich glaube, dieses ständige Instagram-Vergleiche ist wirklich sehr ungesund und ganz schlecht für die Psyche der Kids. Wie man dagegen bewusst ansteuert weiß ich leider auch nicht.
PS: Jungen sind sowas von viel anstrengender als Mädchen! Ich kann das nach 2 Mädchen und 2 Jungen vom Mann beurteilen! 😀